"[...] Es geht hier um ein Bild, nicht um Dokumentation. Gleichwohl gibt es keine beziehungsweise kaum Verfremdung hin zur Rätselhaftigkeit. Aber, sein Zitat macht es deutlich: es gibt Betonungen – von Farbe etwa. So wird das Blau an abblätternden Wänden vielleicht etwas verstärkt, möglicherweise auch die Schärfe der Ränder der abblätternden Farbschollen und deren Schatten. Oder auf einer Aufnahme aus dem Wald werden die Stämme so betont, dass sich eine Struktur von Senkrechten ergibt. Aber auch anderes fällt auf bei der Motivwahl: Einzeln gestellte, besonders geformte Kiefernstämme – menschlichen Figuren ähnlich. In dem einen („Duldung“) könnte man eine Christusfigur sehen. Jan Eisenfeld hatte den Blick dafür, zeigte sie in einer Ausstellung zum Thema „Schmerz“. Dass diese und die Arbeit „Überwindung“ hier zusammen mit einem Bild vom Kloster Chorin gruppiert sind, macht deutlich, dass der Fotograf ganz bewusst diese Bäume ins Blickfeld des Betrachters gerückt hat. Überhaupt findet man auch darüber hinaus immer wieder Aufnahmen, die – allein oder in Verbindung mit anderen – eine spirituelle Aura entwickeln. Als ich mir den Katalog Jan Eisenfelds ansah, fiel mir dies etwa bei den nebeneinander gestellten Arbeiten „Chorin II“ und „Nebel im Kiefernforst“ auf, entwickelt letztere in dieser Nachbarschaft doch ebenfalls eine domartige Wirkung.

"[...] Ich möchte noch einmal auf das Wesen des Künstlerischen zurückkommen, das auch diesen Arbeiten eigen ist, und sie zum Dokumentarischen abgrenzt: Es geht um das Geheimnis, das nicht Sichtbare, das eine spezielle Aura konstituiert. Dass es entsteht, hat nicht wenig mit Motivwahl, der Wahl des Ausschnitts aus der Wirklichkeit, aber auch der Bearbeitung der Fotografien zu tun. Ich meine Fotoarbeiten wie „Nebel im Kiefernforst“ sowie „Winter im Buchenwald“, „Birken im Winter“. Alle sind verbunden durch die Struktur von Senkrechten, die die Baumstämme bilden. Zugleich ist jedes anders: „Nebel im Kiefernforst“ mit seiner graublauen Tönung wirkt sehr geheimnisvoll. An einer Stelle glaubt man von weitem eine Figur zu erkennen. Beim genaueren Betrachten erweist sich, dass der Waldboden voller Reisig ist und an dieser Stelle wohl ein besonders großer Ast liegt. Der Nebel macht das Geheimnis, lässt die bereits angesprochene domhafte Wirkung entstehen. Es entsteht eine Aura, die etwas von jener der Bilder Caspar David Friedrichs hat. „Birken im Winter“ dagegen wirkt leicht und duftig - impressionistisch.

Und so ist die Natur ja tatsächlich: vielfältig, freundlich, manchmal auch Furcht erregend und auch voller Geheimnis, erst recht wenn Nebel wabert. Der „Winter im Buchenwald“ scheint im von Boden aufsteigenden Dunst zu frieren, während letzterer zugleich den Blick einfängt, nicht weit schauen lässt. Aber zwischen all den Stämmen steht ein Bäumchen, ganz zart, behauptet sich, verstärkt aber auch den Gedanken an die Kälte. Diese Arbeit ist nicht zuletzt deshalb besonders schön, weil hier der (im allgemeinen) verwendete Papiergrund mit stumpfer Oberfläche – gutes Bütten – eine ganz besondere Wirkung erzeugt: Man könnte meinen, dies sei keine Fotografie, sondern eine sehr präzise Tuschearbeit, sozusagen „ein Foto wie gemalt“.

"Ich glaube, man sieht bei diesen Fotografien, dass ein besonderes Verhältnis zur Natur, besondere Empfindungen und zugleich Sachkenntnis die Grundlage bilden. So entsteht auch der gute Blick für das Motiv, etwa für die „Letzte (uralte) Eiche“ (Last Oak Standing, 2013) inmitten eines brandenburgischen Kiefernwaldes. Genauso gelingt es Jan Eisenfeld, die Schönheit im Verfall zu sehen, die besondere Form, auch die Farbe, herauszuheben und daraus Bilder zu machen, die sich ablösen von dem Ausgangsumfeld, zu farbigen Strukturen werden, auch zu Farbflächenbildern. [...]“
Dr. Ingrid Koch, Dresden